Wenn das Handy nervt
Eine der „effizientesten“ Methoden, Genuss zu zerstören, ist der sozial-mediale Einsatz des – am Leib ja längst angewachsenen – Handys, zu dessen Sklaven wir immer mehr denaturieren...

Wenn das Handy nervt

Danke, dass Sie Elite gekauft haben. Danke, dass Sie diesen Leitartikel lesen. Wenn ich Sie mir so vorstelle, wie Sie unsere Zeitschrift in Händen halten, dann gehe ich davon aus, dass Sie Hedonist sind. Dass Sie also die feinen, eleganten, das Leben verschönenden Momente genießen. Dass Sie gerne reisen, speisen und keine Berührungsängste haben, um sich mit kleinen und großen Dingen das eigene Leben angenehmer zu machen. Ist eh so kurz. Und man hat nur eines.

Sie sind also das, was man unter einem Genussmenschen versteht. Und wenn Sie nicht mit Reichtum, Erfolg, einem fetten Erbe gesegnet sind oder im Lotto gewonnen haben (also zu 97 % der Weltbevölkerung gehören), dann erfreuen Sie sich (und das dokumentieren Sie mit der Lektüre dieses Magazins) neidlos (!) daran, dass andere sich diesen Genuss leisten. Und sich nicht dafür schämen. Wird in Zeiten der Grün-Bewegung und steigender Anforderungen, was politische Korrektheit betrifft, sowieso immer schwieriger, das sogenannte Leben im Luxus. Bevor wir also nix mehr dürfen, uns kasteien, uns für die Yacht, das Luxus-Gefährt, die Kreuzfahrt oder das Verzehren von Gänseleber abgrundtief genieren und uns all dies selber vermiesen, gilt es noch, die letzten Möglichkeiten eines luxuriösen Lebens zu dokumentieren.

Dafür braucht man eigentlich nur ein Handy. Und ein soziales Netzwerk. Die Mobiltelefon-Industrie hat sich längst darauf eingestellt. Die neuen Mobil-Tools bieten Top-Kameras – fast schon in Leica-
Qualität – und perfekte Auflösung. Doch wenn Sie das nächste Mal Ihren Instragram-Account füllen oder ihre Facebook-Freunde beglücken wollen, sollten Sie über eine Anregung von Juan Amador nachdenken. 

Österreichs erster Drei-Sterne-Koch hat in seinem hochdekorierten Gourmet-Tempel in Wien das Fotografieren der Speisen verboten. Auf meiner Facebook-Seite hat er sich selber zu Wort gemeldet und schwächt – wohl auch angesichts der heftigen und kontroversiellen Diskussion darüber – das Wort „verboten“ ab und ersetzt es durch „empfohlen“. Doch leider klappt so was nicht. Empfohlen heißt: „Lasst‘s das bei mir. Es ist mir zuwider. Aber wenn‘s sein muss, dann macht‘s den Mist halt…“ Und damit ist seine Position schlagartig verloren. Weg, perdu.

Ich habe dazu folgende Meinung: Chacun à son goût (jeder nach seinem Geschmack). Wenn jemand so dumm ist, vor lauter Fotografieren den feinsten Rindslungenbraten kalt werden zu lassen, dann ist er selber schuld.

Die Food-Ablichter sind auch meiner Meinung nach arm dran. Es ist schlecht erzogen, unhöflich, stört die anderen Gäste und verdirbt die ungetrübte reine Freude am Genuss. Zusammengefasst: Mir gehen die genauso auf den Wecker wie die Gaffer bei Autounfällen. Eine Zeitung hatte seinerzeit, als ich noch ein Kind war, nix zu suchen am Tisch. Und das gilt heute für das Handy. Weg damit. Einstecken, wegräumen, verschwinden lassen. Und vorher abdrehen. Ich will keine Anrufe während dem Essen. So viel privatime Zeit muss sein.

Wir wurden streng erzogen. Mutter platzierte uns schlanke Bücher unter die Arme zum Üben beim Essen, damit wir die Ellenbogen nicht wegspreizen. Lümmeln galt als tabu. Als ich bei einer bekannten Aristokratenfamilie eingeladen war, war ich entsetzt, dass dort die Kinder bei Tisch lümmelten. Darauf stand in unserem bürgerlichen Haushalt schon fast die Todesstrafe. Aber für uns Kinder waren die Regeln kein Problem. Wir waren stolz auf unsere guten Tischmanieren. 

Ich habe mich jedenfalls bemüht, das auch meinen Kindern so beizubringen.

Damals, vor gefühlten 100 Jahren, widmete man die ungeteilte Aufmerksamkeit noch einander wechselseitig. Da redete man miteinander. Sah sich gegenseitig an. Meine Eltern waren da absolut intolerant, wenn‘s um uns Kinder ging. Die Mickey Mouse lesen bei Tisch? Undenkbar. 

Vielleicht bin ich ja altmodisch: Aber mir geht‘s noch immer entsetzlich auf den Nerv, wenn mir bei einem Gespräch ein Schnösel gegenübersitzt und dauernd auf seinem Handy herumtippt, während er vorgibt, mit mir zu reden. „Können‘s das nervende Ding wenigstes für die paar Minuten, während wir reden, abdrehen und sich auf unser Gespräch konzentrieren? Das wäre höflich…“, ist man versucht zu sagen… Aber er kann natürlich nicht (wieso – isser süchtig?) – und ich sage das nicht. Aus reiner Höflichkeit.

Ich gebe Juan Amador also recht: Werfen‘s die elenden Knipser raus, Herr Amador! Er wird nur ein Mega-Problem kriegen: Wenn du im Dienstleistungsgeschäft bist, musst du Kompromisse machen. Für die Gäste. Sonst bist du schnell als arrogant verschrien. Und weg.

Deshalb empfiehlt es sich nicht – bei aller Sympathie und gleicher Meinung meinerseits –, gegen den Strom zu schwimmen. Und dieser Strom (die Handymanie) ist die stärkste Innovation der Menschheit und damit eine gewaltige Kraft. Die wird auch ein Amador nicht verbannen und bändigen. Leider. Also liegt es an Ihnen, geschätzte LeserInnen.

Guten Appetit ohne Handy und viel Freude bei der Lektüre dieses Heftes wünscht Ihnen Ihr

Christian W. Mucha

Herausgeber

 

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